Alexander Kluge im Presseheft von 1983:
„Der Film behandelt nicht ein Gefühl, sondern die Macht der Gefühle. Viele Zuschauer werden denken, sie wissen was das ist. Wir alle wissen es aber nicht. Ein Mensch, der einen Moment ruhig ist und in sich hineinsieht, sieht Gefühle. Aber niemals alle, und die Macht der Gefühle ist ein besonders unbekanntes Gelände.
,Die Macht der Gefühle‘ gehört zum Genre des epischen Films. Er erzählt etwa 26 Geschichten, aber alle diese Erzählungen haben den gleichen Kern: die Macht der Gefühle. Die Macht der Gefühle: weil sie fehlen, weil zuviele davon da sind, weil sie anders sprechen als das Amtsgericht, weil kleingeschriebene Gefühle wie "schrauben" sich anders verhalten als große Gefühle wie Mord, Eifersucht, Raublust, Verzweiflung, weil Gefühle Unglück anrichten, weil Gefühle von Haus aus nach Glück trachten.
Ich habe das Empfinden, dass ich bei den Dreharbeiten Glück gehabt habe: mit den beiden Kamerateams unter Leitung von Thomas Mauch und Werner Lüring und mit den jungen Darsteller:innen Barbara Auer, Suzanne v. Borsody, Paulus Manker, Daniel Lüönd, Beate Holle, die ihre ganze Begeisterung eingebracht haben. Hannelore Hoger spielt eine Doppelrolle als Angeklagte und als Heiratsvermittlerin Bärlamm. Meine Schwester, Alexandra Kluge hat, über ihre Rolle hinaus, starken Einfluss genommen. Die Macht der Gefühle ist ihr Thema.
Dies ist mein 26. Film. Ich habe drei Jahre daran gearbeitet. Ich knüpfe in diesem Film an meinen ersten Film an: ,Abschied von Gestern‘, also mehr Spielfilmelemente als in früheren Filmen.
Als ich mit dem Film anfing, hatten wir die Regierung Schmidt. Jetzt haben wir die Wende. Eine Seitengruppe in dieser neuen Regierung probt in diesen Monaten, ob man den deutschen Autorenfilm nicht irgendwie aus der Welt schaffen kann. Das wird sich der Autorenfilm nicht gefallen lassen.
Für heute sehr herzlich Ihr
A. K.
Pressetimmen
"Kein leicht zugänglicher, jedoch intellektuell anregender Film, der zum Verständnis der Kombinationsbereitschaft des Zuschauers bedarf.", so der filmdienst.de.
"’Die Macht der Gefühle’ ist ein ästhetisches Meisterwerk, in dem sich Diskurs in kleinen Nuancen versteckt statt im erhobenen Zeigefinger. Wie schon Tarkowski blättert Kluge in der Filmgeschichte statt im Kunstbuch und lässt schlussendlich das Haus der Gefühle im zerstörerischen Feuer aufgehen.", schreibt Kino-Zeit.
Drehbuch, Regie, Sprecher Alexander Kluge
Schnitt Beate Mainka-Jellinghaus, Carola Mai
Kamera Werner Lüring, Thomas Mauch
Musik Giuseppe Verdi
Besetzung Hannelore Hoger, Alexandra Kluge, Klaus Wennemann, Edgar M. Böhlke, Erwin Scherschel, Beate Holle, Barbara Auer, Suzanne von Bosordy, Paulus Manker, Uwe Carsten Koch
Mit Anja Silja, Dunja Vejzovic, Michael Gielen, Günter Reich (Oper Frankfurt)
BRD 1983, 115 Min., dtF, ab 16